Gärtnern nach dem phänologischen Kalender

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Das Wetter, darin sind die Menschen sich einig, macht, was es will: Regen, wenn die Sonne scheinen sollte, Tauwetter auf der Schneepiste oder Hagel beim Ausflug mit dem Cabrio. Die Pflanzenwelt hat es besser gemeistert, diesen unsteten Vorgaben zu folgen. Eigentlich ein Dilemma, denn wir Menschen richten uns gerne nach den kalendarisch festgelegten Jahreszeiten – insbesondere im Garten, wenn wichtige Arbeiten anstehen. Umso besser, dass es den phänologischen Kalender gibt.

Wann blühen die ersten Apfelbäume? Wann reifen die roten Johannisbeeren? Die Antworten sind niemals gleich, sondern hängen von der Klimazone oder dem Breitengrad ab – und davon, wie das Wetter die jeweilige Jahreszeit bestimmt. Laut Duden ist die Phänologie die „Lehre vom Einfluss der Witterung und des Klimas auf die jahreszeitliche Entwicklung der Pflanzen und Tiere“. Der phänologische Kalender kennt nicht vier, sondern zehn biologisch relevante Jahreszeiten. Für ihn ist kein fixes Datum, sondern die aktuelle Entwicklung in der Natur ausschlaggebend. Da kann der Vorfrühling schnell einmal nur 10 Tage dauern. Das Klima ist im Wandel. Die Vegetationsphase hat sich in den letzten 40 Jahren deutlich verändert, der Winter ist um drei Wochen kürzer geworden.

Umso mehr Grund, sich bei der Gartenarbeit nach dem phänologischen Kalender zu richten. Praktischerweise gibt es eine Anzahl von Zeigerpflanzen, die uns darüber aufklären, welche Tätigkeit wann zu erledigen sind.

Vorfrühling
Die ersten Zeigerpflanzen des Jahres sind die Haselsträucher. Beginnen sie zu blühen, hat sich der Winter grösstenteils verabschiedet. Mit Schneeglöckchen und Winterlingen erwachen zwei weitere Zeigerpflanzen aus dem Kälteschlaf. Jetzt können Obstbäume und sommerblühende Gehölze geschnitten und abgestorbene Pflanzenteile aus den Beeten geräumt werden. Auch die Aussaat von Einjährigen zu Hause oder im Gewächshaus steht an.

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(c)Supper_Schneeglöckchen sind Zeigerpflanzen für den Vorfrühling

 

Erstfrühling
Nun folgt der Erstfrühling mit Forsythien- und Buschwindröschenblüte. Er sagt uns, dass die beste Zeit für den Rosenschnitt gekommen ist – inklusive Düngung – und frostharte Stauden ausgepflanzt werden können. Auch Möhren, Mangold, Spinat oder Pflücksalat lassen sich jetzt aussäen, ebenso einjährige Sommerblumen wie Mädchenauge oder Kapuzinerkresse.

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Sobald die Forsythien blühen, schneiden Sie Ihre Rosen. Der Schnitt hält die Rosen vital und in Blühlaune.

 

Vollfrühling
Die dritte Frühlings-Jahreszeit ist der Vollfrühling: Jetzt blühen Apfelbäume, Fliedersträucher und Rosskastanien. In den Wiesen erstrahlen gelbe Löwenzahnblüten.
Beim Rasen stehen somit erste Schnittmassnahmen an. Nach den Eisheiligen kommt die grosse Einpflanzaktion: Gladiolen, Begonien und Dahlien kommen in den Boden und Kübelpflanzen aus dem Winterlager. Tomatensetzlinge können ebenfalls ausgepflanzt werden.

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Sind die Eisheiligen vorbei, kann auch mit der Sommerbepflanzung begonnen werden

 

Frühsommer
Nach dem phänologischen Kalender ist nicht der 21. Juni Sommerbeginn, sondern der Zeitpunkt, wenn der Schwarze Holunder zu blühen beginnt. Damit startet die aktionsreichste Zeit im Garten: Düngung der Prachtstauden, Unkrautkontrolle, Aussaat der Zweijährigen, Mahd der Blumenwiese, Auspflanzen der vorgezogenen Sämlinge und vieles mehr.

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Die Blüte des Schwarzen Holunders ist das Startzeichen für die arbeitsintensivste Gartenzeit

 

Hochsommer
Er ist eingekehrt, wenn die Linden blühen und die Johannis- und Stachelbeeren sowie Sauerkirschen reif geworden sind. Das ist der Startschuss für die typischen Sommerarbeiten: Ausputzen der Stauden, Schnitt der frühlingsblühenden Sträucher, erste Ernten.

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Sind die Johannisbeeren reif, ist nach dem phänologischen Kalender der Hochsommer eingekehrt.

 

Spätsommer
Nicht sehr viel später, wenn die Früchte der Eberesche sich rot färben und die ersten frühen Aprikosen reif sind, ist Spätsommer. Das ist der Termin fürs Umschichten des Kompostes und für den Formschnitt an Hecken. Düngemassnahmen werden jetzt reduziert; Spinat, Radieschen, Rettich und Feldsalat ausgesät.

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Im Spätherst können Sie sich an den Formschnitt Ihrer Hecken machen

 

Frühherbst
Er kündigt sich durch die Blüte der Herbstzeitlosen und erntereife Holunderfrüchte an. Sind die letzten Zwetschgen geerntet, ist er meist vorüber. Noch kann Gründüngung ausgesät werden. Im Ziergarten kommen die frühjahrsblühenden Zwiebelpflanzen in den Boden, Stauden und Ziergräser werden geteilt. Der Rasen wird mit einer kalibetonten Herbstdüngung auf die dunkle Jahreszeit vorbereitet.

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Den Herbstrasendünger gibt es als Granulat, das Sie beispielsweise mit dem praktischen Streugerät Granomax ausbringen können.

 

Vollherbst
Beginnen Kastanien, Quitten und Walnüsse zu reifen, ist der Vollherbst eingekehrt. Damit ist eine gute Pflanzzeit für Gehölze und Stauden gekommen. Nicht winterharte Knollen- und Zwiebelgewächse wie Gladiolen oder Dahlien kommen ins Winterlager, der Gartenteich wird gesäubert.

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Knollen von Gladiolen und Dahlien werden frostfrei an einem dunklen Ort, zum Beispiel im Keller oder der Garage, bei 6 bis 10 Grad gelagert.

 

Spätherbst
Beginnt die Stieleiche ihre Früchte abzuwerfen, ist der Spätherbst eingekehrt. Wurzelnackte Rosen, Obstgehölze und Sträucher sowie robuste Stauden können noch gepflanzt werden. Empfindliche Kulturen erhalten einen Winterschutz, Balkon- und Kübelpflanzen kommen ins Winterlager.

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(c)Supper_Der Winterschutz unterscheidet sich je nach Pflanze: eingehüllt mit Vlies- oder Kokosmatte, abgedeckt mit Reisig oder komplett im Überwinterungsquartier. Informieren Sie sich am besten frühzeitig, welche Maßnahme für Ihre Pflanzen erforderlich sind.

 

Winter
Nach dem phänologischen Kalender gibt es nur eine Winterzeit. Jetzt ruht die Vegetation weitestgehend.

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Während der Vegetationsruhe bleibt Zeit das nächste Gartenjahr vorzubereiten und schon Pläne für die Beetgestaltung zu schmieden.

 

Der phänologische Kalender ist keine Erfindung der letzten Jahre. Traditionell hatte man in der Landwirtschaft auf phänologische Erfahrungen zurückgegriffen, um die Arbeiten auf dem Feld und im Garten zu optimieren. Darauf basierend, planten die Bauern früher ihre Feldarbeiten und sagten Erntetermine voraus. Sie konnten damit insbesondere Naturphänomene und spezifische Ereignisse, die jedes Jahr mehr oder weniger in der gleichen Reihenfolge auftraten, gezielt nutzen. Eine Wiese beispielsweise hat dann genügend Nährstoffe Rinder und Kühe, wenn die ersten Fruchtbäume vollständig blühen.

 

 

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Über Judith Supper

IMG_9165_HPJudith Supper ist Fachjournalistin, Texterin und Mitinhaberin des Medienbüros Brizamedia, das seit seiner Gründung 2015 einen umfassenden Medienservice für die grüne Branche bietet. Seit bald zehn Jahren ist Judith Supper für Fachmedien im In- wie Ausland tätig, darunter auch die bedeutendsten Fachzeitschriften des deutschsprachigen Raums. 2011 ging sie mit „Pflegeleichte Gärten gestalten“ (Christian Verlag) unter die Buchautoren und war von 2011 bis 2014 als leitende Redaktorin für g’plus (Herausgegeben von JardinSuisse, Unternehmerverband Gärtner Schweiz) beschäftigt. Egal ob eine Reportage über Pflanzenzucht im Weltall, ein Messebericht von der Chelsea Flower Show oder Portrait eines Floristik-Unternehmens, ihr Anliegen ist es, komplexe Inhalte leserfreundlich aufarbeiten, dabei aber niemals die fachlichen Sachverhalte aus den Augen zu verlieren.

Ihre Haupt-Interessensgebiete liegen in den Bereichen:

  • Umwelt- und Naturschutz
  • Gartenpraxis: Zier-, Nutz- und Naschgarten
  • Nachhaltigkeit und Biodiversität
  • Gartenkultur

www.brizamedia.ch

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