Im Garten ist das die entscheidende Frage, die sich nicht so einfach beantworten lässt. Aspekte wie Rücksicht auf die Tierwelt, Pflanzengesundheit, die Art der Pflanzengemeinschaft spielen in die Antwort mit hinein. Ein gewisses Mass an Wissen über das Wuchsverhalten der Pflanzen ist ebenfalls hilfreich. Klar ist: Wer im Herbst die Stauden abschneidet, bringt sich um das optische Spektakel, wenn Frost und Schnee mit vertrockneten Blütenständen spielen.
Im Herbst die Beete ausräumen und alle Stauden wenige Zentimeter über dem Boden abschneiden? Diese Vorgehensweise ist längst überholt. Nicht nur, weil Stängel und Blätter im Winter den Boden vor Erosion und Auswaschung schützen können oder die Kälte von den Wurzeln fernhalten. Ein wesentlicher Faktor ist, dass zahlreiche Lebewesen in den Stängeln, alten Blüten- und Samenständen und Blättern ihr Winterlager sucht und dort verbleibt, bis die wärmere Märzsonne sie aus dem Winterschlaf weckt. Schmetterlinge, Marienkäfer, Bienen, Wespen, Käfer, Spinnen, Amphibien, Mäuse und andere Säugetiere wie der Igel – unzählige Arten profitieren von der schützenden Laubschicht. Ausserdem suchen viele Vögel – insbesondere solche, die sich von Insekten ernähren – in den Stängeln und Blättern nach Nahrung. Die Samenstände von Magerwiesen-Margeriten, Nachtkerzen, Sonnenblumen und Echinacea dienen weiteren Vögeln als winterliche Nahrungsquelle.
Was im Sommer so schön blühte, erst im Frühjahr einzukürzen, ist somit aktiver Umweltschutz. Und den hat die Tierwelt dringend nötig. Schliesslich ist die Situation der Insekten mehr als besorgniserregend. In der Schweiz sind von den aktuell 1153 im Rahmen der Roten Listen bewerteten Insektenarten fast 60 % gefährdet oder potenziell gefährdet. Nicht nur im Mittelland gehen Vielfalt und Grösse der Insektenbestände zurück, auch im Jura und in den Alpen (Zahlen: BAFU).
Hinzu kommt der optische Reiz. Wer die Pflanzen im Herbst und Winter stehen lässt, darf miterleben, wie sich Farbe, Form und Textur im Verlauf der kalten Jahreszeit verändern und wie sich Gelb, Purpur und Rot allmählich braun, beige und schwarz verfärben. Spielen schliesslich Frost und Schnee mit den Stängeln und Blütenständen, zeigt sich der Garten von einer völlig anderen Seite, die grossen Reiz hat.
Ausnahmen gibt es
Doch bevor man sich nun zurücklehnt und denkt, schön, dann erledige ich die Arbeit erst im März: Wann man Stauden schneidet, hängt auch von der Art der Pflanzengemeinschaft ab. Bei Stauden wie Präriekerze, Mädchenauge, Kokardenblume, Ochsenzunge oder Färberkamille sollte der sogenannte Frühherbstschnitt Ende September erfolgen. Das regt die Pflanzen dazu an, Überwinterungsrosetten bzw. -knospen zu bilden, was ihre Langlebigkeit fördert.
Wer verhindern will, dass sich die Pflanzen durch Selbstaussaat vermehren, greift ebenfalls zur Schere. Wo viele Frühjahrsblüher wie Schneeglöckchen, Traubenhyazinthen oder Buschwindröschen wachsen, ist ein Staudenschnitt im Spätherbst ratsam, weil es die Pflegemassnahmen im Frühjahr erleichtert. Bei sehr früh blühenden Pflanzen – beispielsweise Lenzrosen oder Elfenblumen – lohnt sich der Rückschnitt im Spätwinter, damit ihre Blüten optimal zur Geltung kommen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Gesundheit der Pflanzen. Leidet der Phlox unter Mehltau oder die Stockrose unter Malvenrost, sollten die Triebe bereits nach der Blüte bzw. spätestens im Herbst möglichst tief abgeschnitten und entsorgt werden. Das gilt für jegliches Pflanzenmaterial, das Anzeichen einer Krankheit aufweist.